frameless, interview mit Karin Zwack

Als ‘nicht-Digital Native’ ist für mich dieses digitale Feld immer noch gleichermaßen ein Mysterium, ein Wunderland, eine Reizüberforderung, eine Aufgabe.

Karin Zwack
Karin Zwack, Foto: Daniel Bürkner

Anlässlich der bevorstehenden Ausstrahlung des Online-Programms frameless am 8. April habe ich die Künstlerin und Kuratorin Karin Zwack interviewt, die für dieses Projekt an der Schnittstelle von Musik und visueller Kunst verantwortlich ist.

Von München aus organisiert, lädt frameless seit 2015 zahlreiche Künstler*innen ein, darunter Tristan Perich, Lucrecia Dalt, Martin Messier, Sam Prekop & John McEntire, Noveller, Anna von Hausswolff und Jim O’Rourke. Seit 2020 wird die Serie online präsentiert und zeigt neue digitale Formen.

Marie-Pierre Bonniol: Wie hat die digitale Reihe frameless begonnen? Folgte sie einer “klassischen” Kuratierung, im Sinne von Konzertprogrammen, oder hast du mit dieser Reihe dein Musikprogramm begonnen?

Karin Zwack: Eigentlich komme ich von der Bildenden Kunst und arbeite als Künstlerin und Kuratorin im Ausstellungsbereich. Parallel beschäftige ich mich schon sehr lange mit Musik an der Schnittstelle zu Kunst.

Als in München ein Konzept gesucht wurde für eine Programmreihe, die sich mit experimenteller Musik beschäftigt, kam da diese Idee. Zusammen mit Daniel Bürkner habe ich sofort ein Konzept geschrieben, und frameless war geboren. Daniel hatte gemeinsam mit Christian Kiesler schon länger das Frameworks Festival kuratiert, das noch stärker an der Schnittstelle zu Pop angelegt ist. Als Schwesterprojekt dazu ging die Reihe frameless vor 7 Jahren an den Start, um neue Ansätze experimenteller Musik bzw. auditiver Kunst zu zeigen, die sich mit den veränderten Lebensbedingungen im digitalen Zeitalter auseinandersetzen. Seit vier Jahren kuratiere ich die Reihe nun allein. Das Programm stelle ich eher zusammen wie eine Ausstellung, weniger wie einen klassischen Konzert- oder Clubabend. Dabei versuche ich bewusst, künstlerische Positionen, die nicht aus der gleichen Ecke kommen, für mich jedoch irgendwie zusammengehören, zusammenzubringen.

Wie ist deine eigene Herangehensweise als Betrachterin an Video/digitale Angebote und was denkst du, was diese konkret beinhalten und anbieten können?

Faszinierend finde ich, dass viele meiner Freunde aus der Medienkunst sich stundenlang im digitalen Kosmos aufhalten und privat ein Handy der ersten Generation besitzen und allerhöchstens eine Sms schreiben. Auch ich bewege mich in diesem Dazwischen.

Als ‘nicht-Digital Native’ ist für mich dieses Feld immer noch gleichermaßen ein Mysterium, ein Wunderland, eine Reizüberforderung, eine Aufgabe.

Digitalisierung ist überall, sie erfasst immer neue Lebensbereiche, durchdringt unseren Alltag und prägt unsere Kultur. Zwischen utopischem Potential und Angst vor totaler Überwachung stellt sie uns vor neue Herausforderungen. Die Beschäftigung mit der gesellschaftlichen Relevanz des Digitalen finde ich daher sehr wichtig.

Ein Beispiel, das wir bei frameless gezeigt haben, ist die Band goat aus Japan, die mit klassischen Instrumenten ohne electronics arbeiten. Dennoch spielen sie Techno. Sie haben dieses aus digitalen Entwicklungen entstandene Genre komplett ins Analoge übertragen, bedienen sich dabei der Methoden des Digitalen, mit Loops und Technobeats. So etwas finde ich äußerst spannend. Und man könnte natürlich über gesellschaftliche Dynamiken in einem hoch technologisierten Industrieland nachdenken, was sich auch auf Deutschland übertragen lässt.

Junraytronics von ASA-CHANG&Junray. Foto: K. Zwack
Tomoko Sauvage bei frameless. Foto: K. Zwack

Du scheinst einem breiten Spektrum experimenteller Musik zugeneigt zu sein, vor allem denjenigen Positionen, die ihren Ursprung in der Popmusik haben und diese modifizieren, sowie den Überschneidungen zwischen bildender Kunst und Musik. Was verbindet deiner Meinung nach die Musik und die künstlerischen Vorschläge, die frameless präsentiert?

Da sich in mir immer schon etwas gegen Kategorisierungen sperrt, genieße ich die Freiheit sehr, die mir das Kuratieren bietet. Manche der gezeigten Positionen laufen womöglich unter Begriffen wie Neoklassik, Avantgarde, Jazz, Pop, Electro, u.s.w., wobei sich auch diese Begriffe immer mehr auflösen.

Des Weiteren ist für die Reihe frameless das Ignorieren einer Trennung zwischen bildender Kunst und Musik geradezu Programm.

Für mich fängt immer an den Schnittstellen das Interessante an. Und so fühle ich mich da am wohlsten, wo sich die Grenzen der Genres und Begrifflichkeiten öffnen, was ja seit einiger Zeit auch stark passiert.

Eine Künstlerin wie Félicia Atkinson, springt mit einer unglaublichen Leichtfüßigkeit zwischen Skulptur, Zeichnung, experimenteller Musik und Lyrik, und alles geht so wunderbar zusammen. Da liegt etwas unglaublich Befreiendes in ihrer Arbeit.

Dann gibt es Künstlerinnen wie Katharina Grosse, die ihr sicheres Feld Malerei verlässt und zusammen mit Stefan Schneider Musik an Synthesizern macht. Bei ihrem Konzert für frameless fand ich spannend, wie sie ihre Arbeitsweise von der Malerei auf die Musik überträgt. Schichten, Sprühen, Texturen und Flächen, all das entdecke ich, wenn ich sie spielen höre. Und doch bietet ihr das Feld Musik eine neue Freiheit, denke ich.

Katharina Grosse und Stefan Schneider bei frameless. Foto: K. Zwack

Das Zusammenbringen verschiedener Positionen aus unterschiedlichen künstlerischen ‘Ecken’ kann meiner Erfahrung nach ein unglaubliches Potential freisetzen, für die Künstler*innen und auch für das Publikum.

Nach einem frameless Abend entstehen nicht selten neue Freundschaften und Kooperationen zwischen den Teilnehmenden. Das macht mich sehr glücklich.

Du bist bildende Künstlerin und scheinst an vielen innovativen Formen und Projekten beteiligt zu sein, vor allem im Internet, aber nicht nur. Kannst du mir mehr darüber erzählen? Sind deine Kunst und das Kuratieren schon immer mit digitalen Aspekten verbunden gewesen?

Im Studium habe ich angefangen, Visuals zu gestalten für einen Technoclub, ebenso habe ich stundenlang Dinosaurierskelette im Paläontologischen Museum gezeichnet. Schon damals hat sich abgezeichnet, ich brauche verschiedene Medien und bewege mich gerne zwischen Digitalem und Analogem.

Die Installation Halsar (video link) ist in Kooperation mit Yasuhiko Fukuzono (a.k.a. aus/ Gründer des Tokioter Labels flau) entstanden.

Installation Halsar, aus und Karin Zwack Foto K. Zwack

Sie besteht aus Videoloops von Standbildern aus Webcams, die ursprünglich der Dokumentation der Witterungsverhältnisse in abgelegenen Regionen Islands dienten. Es sind nicht nachbearbeitete, teilweise von Überblendungen und Bildstörungen gezeichnete Landschaften, die ich über Jahre hinweg beinahe manisch sammelte und selektierte. Yasuhiko erarbeitete dazu die Klangspuren. Zusammen entstand ein neuer Kosmos, der von Elementen der Realität und den abstrakten Strukturen des Digitalen geprägt ist.

Es tut sich ein Zwiespalt auf zwischen der kalten, technologischen Überwachung von Landschaft und der kontemplativen Ästhetik, die darin liegt. Die Installation vermittelt so auf verstörende Weise, wie widersprüchlich Landschaft im Zeitalter ihrer technologischen Vereinnahmung erfahren werden kann.

Ein weiteres Projekt mit dem Titel Kivet, entstanden auf einer Artist Residency in Porvoo/Finnland, mündete 2021 in einer digitalen Ausstellung. Ein Netz aus Motiven, Bedeutungen und Erinnerungen, die sich mit dem Unerwarteten beschäftigen. Dabei spiele ich bewusst mit den Möglichkeiten der Medien: Fotografie zwischen Gedächtnisnotiz, dokumentarischer Fotografie, Kunstfotografie. Originalzeichnung, digitales Abbild von Zeichnungen und Aneignung von Digitalisierung als eigenständiges Prinzip.

Wie differenziert mit Digitalisierung umgegangen werden kann, finde ich nach wie vor gesamtgesellschaftlich sehr interessant.

Die Reihe gibt es nun schon seit einiger Zeit. Wie beurteilst du rückblickend, was bisher präsentiert und zusammengestellt wurde?

Beim Betrachten der Performances, die wir gezeigt haben, aber auch generell im Feld der experimentellen Musik, erscheint es mir, die Grenzen zwischen konzeptueller Beschäftigung mit dem Digitalen und ihrer intuitiven Verwendung dürfen immer mehr verschwimmen.

Ich meine damit nicht, dass etwas beliebig wird, sondern betrachte das vielmehr als eine positive Entwicklung – es gibt immer neue Wege, sich mit dem Digitalen auseinanderzusetzen und über dessen Aneignung in Kunst und Musik die Welt zu entdecken.

Videoarchiv der frameless Reihe